Auf dem Gunbarrel Highway

Aboriginal Land - Nur mit Sondergenehmigung zu betreten
Aboriginal Land - Nur mit Sondergenehmigung zu betreten

Eine der letzten Abenteuer-Routen für off-roadbegeisterte Traveller ist für europäische Reisende zwar nicht leicht zu realisieren, denn zunächst müssen einige Hürden überwunden werden, die von der Bürokratie errichtet wurden. Der Lohn der Bemühungen ist jedoch ein Abenteuer voller überwältigender Eindrücke und faszinierender Begegnungen: Die Wüsten-Durchquerung im Zentrum Australiens über den legendären Gunbarrell Highway quer durch die Gibson-Wüste mit einem Toyota Land-Cruiser.

Heather Highway
Heather Highway

Die Umwelt scheint tot. Ohne Wasser gibt es kein Leben, keine Vegetation, keine Tiere, keine Menschen. Und dennoch: bei näherem Hinsehen entdecke ich die Wüste lebt! Viele hundert Kilometer lang werde ich nichts anderes sehen als Sonne, Sand, Steine und Spinifex-Gras - mit immer neuen Farbschattierungen: weiß und gelb, grün und bläulich.

Unmerklich gewinnt die Wüste für mich an Reiz. Im vollen Schein der Morgensonne leuchten die Wüstenberge orangerot. Steigt die Sonne höher und liegen die Felswände im Schatten, färben sie sich rot und schließlich purpurn. Am Spätnachmittag werden sie dunkelblau, bis die letzten Sonnenstrahlen die Felsspitzen in Gold tauchen. Bei Einbruch der Nacht zeigen sich nur noch tintenschwarze Silhouetten am klaren Himmel.

Gedenktafel Lasseter's Cave
Gedenktafel Lasseter's Cave

Unser Geländewagen keucht über unwegsame Steinhaufen zur Docker River Settlement. Schon nach wenigen Minuten tauchen unverhofft die Hütten der Aborigines vor uns auf.  Sie sind aus ein paar verrosteten Wellblechen errichtet und sehen elend aus. Unser »Permit to enter onto and remain on Aboriginal land or seas adjoining Aboriginal land«, das wir in Alice Springs vom Central Land Council erhalten haben, weist ausdrücklich darauf hin, dass in der Docker River Community keine Fotos aufgenommen werden dürfen.

Spurrillen
Spurrillen

Unsere Reserven müssen noch einige hundert Kilometer reichen

In der Wüste macht man nur einen großen Fehler: den ersten und den letzten. Wasser wird überlebenswichtig.  Die morgendliche Toilette reduziert sich auf einen Becher frischen Wassers, mit dem ich Gesicht und Hände benetze. Noch einen halben Becher heißen Wassers zum Zähneputzen nach dem Frühstück. Am Abend werden wir uns nicht waschen können. selbst nicht nach dem Zeitaufbau. Unsere Reserven müssen noch einige hundert Kilometer reichen. Dieser verdammte Staub! Die Wüste ist das Reich der Winde mit sehr trockener Luft. Ich habe wahnsinnigen Durst.

Wir haben die meteorologische Station in Giles passiert, wo ein halbes Dutzend Wissenschaftler, abseits jeglicher Zivilisation, weit entfernt von ihren Frauen und Kindern, jeweils ein halbes Jahr arbeitet. Einer der in dieser Einsamkeit natürlich hoch willkommenen Besucher hat im Gästebuch als eindrucksvollstes Ereignis seines Besuchs hinterlassen: »Bier!«

Unser Geländewagen holpert mittlerweile über eine tückische Piste voller Sandlöcher und Querrillen in Richtung Warburton. Die Sonne weicht den ursprünglich vorhandenen Asphalt auf, die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag (bis 35° C) und Nacht (mit Minusgraden) lassen die Straßendecke zerbröseln. Die ersten Schlaglöcher vergrößern sich mit jedem darüber hinwegfahrenden Wagen, der weitere Ränder abreißt. Nachfolgende Fahrzeuge suchen sich neben der Piste etwas bequemere und weniger holprige Wege: die typische Wüstenpiste ist geboren. 80 bis 90 Kilometer in der Stunde sind durchaus zu schaffen im Schnitt, doch ein Achsbruch ist ständig präsent. Ein unbehagliches Gefühl angesichts der langen Strecke im nahezu menschenleeren Gebiet.

Der Missionsstation Warburton nähern wir uns nach einigen Stunden beschwerlicher Fahrt. Am Rande der Piste sahen wir immer wieder ausgeschlachtete Autowracks. Vereinzelt tauchen Eukalyptusbäume auf, dann einige mobile Wohnheime, Wellblechbaracken und Berge von leeren Blechdosen, sowie Plastiktüten.

Steptoe's Turn-Off
Steptoe's Turn-Off

Weiter geht die Fahrt nach Steptoe's Turn-off über den miserablen Heather Highway nordwärts bis zum Gunbarrell Highway und dann ostwärts bis Wiluna. Der Weg ist rau und fordert Wagen und Insassen. Auf unserer australischen Spezial-Karte ist mehrfach »Catution - heavy sand« oder »abandoned« (unbenutzt) verzeichnet. Unser ständiges, intensives Kartenstudium bewährt sich. Wir können jetzt die Entfernungen zwischen den ohnehin dünn gesäten Stationen errechnen, an denen es möglicherweise Diesel für unseren Toyota und Wasser für unsere Kanister gibt. Auf unserer längsten Strecke ohne Tankmöglichkeit brauchen wir zu unserer Sicherheit vier Kanister zu je 20 Liter fuel.

Nicht zu vergessen die Kanister mit den lebensnotwendigen Wasservorräten. Sie müssen stabil auf dem Dachgepäckträger befestigt werden. Dieser bricht an der rechten hinteren Seite entzwei und muss notdürftig zusammengeflickt werden. Ein Teil der Kanister wird im hinteren Wagenteil untergebracht, der unser Gepäck und einen Kühlschrank beherbergt. Oft genug setzt sich auf der ruppigen Piste die gesamte Ladung in Bewegung und muss neu verstaut werden.

Busch-Camping hinter Mount Baedell - weit entfernt von jeder menschlichen Ansiedlung. Der gegen den Abendhimmel gestreckte kleine rote Berg leuchtet gespenstig. An grellen Tagen irrlichtern phantastische Wüstenbilder an meinen Augen vorbei: ein einsamer Geier, vorsintflutliche Echsen, Spuren von aggressiven Ameisen und giftigen Vipern an meinem Zeit. Abends am Lagerfeuer, eingepfercht in ein enges Zelt oder einen schmalen Schlafsack für viele Nächte, ist es für mich ein durchaus zwiespältiges Gefühl, nachts aufstehen zu müssen und einen Sprint zur Freiluft-Toilette in eine mir feindlich erscheinende Umwelt anzutreten, jenseits der vermeintlichen Sicherheit unseres Drei-Zelte-Camps. Jeder Schatten erscheint mir wie ein blutgieriger Dingo, jedes Rascheln eine giftige Schlange, die nach meinen ungeschützten Beinen zielt, um mich zu beißen.

Mount Beadell
Mount Beadell

Der folgende Streckenabschnitt ist voller Spinifex - grasgrüne Büsche mit Stachelgras. Der Mount Everard entpuppt sich als nicht viel mehr als eine Felsnase, doh hat man einen prächtigen Blick über die Gibson Desert.

Mount Everard
Mount Everard

Die Fuhrt führt an einem Brunnen vorbei, der hier vor Jahren angelegt wurde. »It mav save a life« steht auf einer Tafel zu lesen, »use it, respect it & leave it here«. Trotz vielfältiger Anstrengungen gelingt es uns nicht, Wasser aus diesem tiefen Loch zu befördern. Wir trösten uns mit dem Argument, dass in der Gibson-Wüste selbst das süßeste Grundwasser stark versalzen ist.

 

Mittagsrast
Mittagsrast

Trugbilder zerfließen beim Näherkommen in der heißen, flimmernden Luft

Auf teilweise sehr schlechter Piste geht es in Richtung Carnegie Homestead weiter, wo wir unsere Reserven aufzutanken hoffen. Die Sonne steht jetzt, am späten Morgen, bereits hoch und heiß am Himmel. Und diese entsetzlich lästigen Fliegen! Der glühende Sand reflektiert die unerträgliche Hitze. Trugbilder zerfließen beim Näherkommen in der heißen, flimmernden Luft. Über viele Kilometer erstrecken sich Igelgräser mit steifen, scharf zugespitzten Halmen, die in Büscheln wachsen, riesigen Nadelkissen gleich.

An der Carnegie Station angekommen erfahren wir, dass es weder Treibstoff noch Getränke gibt. Ein Glück. dass wir genügend Reserven mitgenommen haben. Auf der folgenden Piste suchen wir uns den bestmöglichen Weg, aber »Wellblech«, die gefürchteten Querrillen, sind überall. Zeitweise fahren wir am Rande der Piste über graugrüne Büsche, oft hart, knorrig und dicht, die über unendlich scheinende Weiten verbreitet sind: Spinifex-Steppe mit Stachelgras und vereinzelten Wüsteneichen am Rande.

Carnegie Homestead
Carnegie Homestead

Während wir die eintönige Piste, die den Gunbarrell Highway darstellt, entlang holpern, versinke ich in Gedanken, träume von einem gemütlichen Abend bei Kerzenlicht und einem guten Glas Wein zu Hause.

Unser Toyota pflügt sich durch immer dichter werdenden Sandschleier. Sand ist unser ständiger Begleiter.  Auch beim Essen unserer Lunch-Brote meldet er sich knirschend zwischen den Zähnen. Die Sonne scheint sirupgelb, der Himmel ist blendend heiß. Karge Baumstümpfe ragen jämmerlich aus dem trockenen, tiefroten Sandboden. Und hier sitze ich im Schatten unseres Land-Cruisers inmitten des roten Kontinents und denke: Bin ich verrückt?

Metalltafeln als Wegweier
Metalltafeln als Wegweier

150 Kilometer vor Wiluna, der ersten Siedlung seit Tagen, schlagen wir unsere Zelte für das Buschcamping auf. Ein zauberhafter Sonnenuntergang versöhnt mich mit den Strapazen der vergangenen Stunden.

Bush-Camping in der Wüste
Bush-Camping in der Wüste

Noch einmal eine gewaltige Anstrengung. Wir haben die kürzere, aber schwierigere Strecke nach Meekatharra gewählt und nicht die längere Route über Sandstone und Paynes Find. Dann endlich: Meekatharra, früher ein Verladebahnhof für das Vieh, das aus dem Nord-Territorium und den östlichen Kimberleys heruntergetrieben wurde. Heute noch immer Minenstadt. in deren näherer Umgebung Gold und Kupfer gewonnen werden. Rings um diesen Ort gibt es heute große Schaf- und Rinder-Ranches. Hier geht unsere abenteuerliche Reise quer durch die Gibson-Wüste von Alice Springs nach Perth glücklich zu Ende.

 

© Rainer Waterkamp